Der Pfarrer wird zum Wüterich - Hundstage (2006)

 

Kürtens Theatergruppe "(N)Immernett" rüstet sich fürs nächste Stück

 

KÜRTEN. Brutus muss leiden. Der Plüschhund wird mit Füßen getreten und im hohen Bogen von der Bühne gekickt. "Blöder Köter", poltert Hauptdarsteller "Gottlieb Frommknecht" (Ralph Knapp) los. Hundefreunde sollten sich an dieser Stelle besser mal die Ohren ganz fest zu halten.

 

"(N)Immernett", die Kürtener Theatertruppe ist nicht immer nett. Es wird geflucht, geschimpft und gestritten in ihrem aktuellen Stück. "Hundstage", frei nach "Nachbars Lumpi" von B. P. Marquart, heißt die Gesellschaftssatire, für die fleißig geprobt wird.

 

Bis zur Premiere am 24. März ist noch einiges zu tun: Stell- proben auf der Bühne, der letzte Schliff am Text, die richtigen Kostüme. Das weiß auch Regisseurin Brigitte Liegel. Beim Probenabend in der Olper Schule klatscht sie deshalb resolut in die Hände: "Konzentration, jetzt geht es los." Und es stürmt der Hauptakteur des Dramas in die Mitte und stemmt die Arme in die Hüfte.

 

Es folgen "Nettigkeiten" in alle Richtungen: Tochter, Schwieger- vater, Nachbarsfrau, jeder wird vom gar nicht so lieben "Gottlieb" abgemeiert. Doch die Regisseurin blickt kritisch in die Runde. Der "Wüterich" ist ihr noch nicht rabiat genug. Beim zweiten Anlauf klappt's besser: Alle kriegen ihr Fett weg.

 

Während man sich auf der Bühne fetzt, griemeln die anderen "(N)Immernett"-Kollegen über den gespielten Wutausbruch. So hat man Ralph Knapp, den Pfarrer in Delling, noch nicht erlebt. Es ist für Knapp eine Paraderolle. Selbst der Maschendraht- zaun zu Nachbars Grundstück kann ihn nicht bremsen.

 

Die Regisseurin hat das Stück dazu mit einigem Lokalkolorit gewürzt. Vom Tierheim auf dem Kürtener Petersberg ist die Rede, auch die Polizeistation in der Ortsmitte kommt vor. Zwei Stunden gute Unterhaltung wollen die Darsteller bieten. Kein Klamauk, wie alle übereinstimmend betonen.

 

Dass schon seid September geprobt wird, ist dabei nur ein Aspekt. Übers Jahr organisiert "(N)Immernett" zwei Intensiv- wochenenden: Üben, üben und nochmal üben steht dann auf der Tagesordnung.

 

Die Regisseurin legt eine Kassette ein: Babygeschrei ist zu hören. Liegel lässt vorspulen: Sie sucht Herztöne. Poch, poch, poch ist der Herzschlag zu hören. Theatralisch greift sich der Hauptdarsteller an sein Herz. Denn mit Gottliebs Gesundheit sieht es überhaupt nicht gut aus. "Brutus ist schuld", beginnt die nächste Schimpftirade.

 

Und wieder muss der arme Plüschhund leiden...

 

von CLAUS BOELEN-THEILE

 

Kölnische Rundschau (Rhein-Berg)

3. März 2006


Zwischen Kunst und Klamauk

Bergische Laientheater starten in neue Saison

(Auszug)

 

Ganz jung auf den bergischen Bühnen ist die Theatergruppe "(N)Immernett" aus Kürten-Olpe. Vor fünf Jahren musste die Lehrerin Brigitte Liegel im Rahmen ihrer Ausbildung zur Theaterpädagogin ein Stück einstudieren. Mindestlänge: 20 Minuten. "Daraus wuden aber zweieinhalb Stunden", berichtet sie. Die engagierten Eltern ihrer Schützlinge in der Grundschule Olpe waren mit soviel Enthusiasmus bei der Schauspielerei dabei, dass man sich entschloss, weiter zu machen.

 

Gerade proben sie das neue Werk "Hundstage". Premiere ist im März. "Wir versuchen, jedes Jahr eine satirische Komödie zu finden", so die "(N)Immernett"-Regisseurin. Die Bücher werden dann mit ein bisschen Lokalkolorit angereichert, auch die "Splash"-Geschichte und der Umzug des Kürtener Tierheims werden thematisiert.

 

"In andere Rollen zu schlüpfen, das gefällt mir", beschreibt Thomas (Heidkamp), 46, seine Motivation zum Feierabend- Theater. Auch wenn die Rolle, wie in diesem Jahr, der "Tod" ist. "Ein schönes Hobby, ein guter Ausgleich zum Job" sei das, sagt der Ingenieur, der als Lehrer an einer Technikerschule unterrichtet. In "Hundstage" darf er einem echten Pfarrer das Leben nehmen. Ralph (Knapp) leitet die evangelische Gemeinde in Kürten Delling, ist seit Anfang an bei der Truppe dabei. "Ich glaube nicht, dass ich mein Amt damit entehre", schmunzelt er, der in diesem Jahr einen korrupten Banker spielen muss. "Außerdem stehe ich ja nicht als Pfarrer, sondern als Privat- person auf der Bühne", so der Kirchenmann. Besonders gefällt ihm der soziale Aspekt. Der Gewinn der Aufführungen geht an BEKIK, eine gemeinnützige Kürtener Organisation für orientierungslose Jugendliche.

 

Janine (Nassenstein) wurde in Wipperfürth "entdeckt". Die heute 17-jährige spielte in einer Aufführung des Mittelstufen- theaters am Gymnasium.

 

Daniel (Nott), ebenfalls 17, stand schon als Komparse für SAT1 vor der Kamera, auch kleinere Rollen hat er schon im Fernsehen gespielt. "Aber hier auf der Bühne hast du viel mehr Bezug zum Publikum", sagt er.

 

Mit unterschiedlichen Motivationsgründen gehen die gehen die Laienspieler an ihr Werk. Eines haben sie aber alle gemein- sam: Sie halten zusammen. Wie große Familien kämpfen sie gemeinsam gegen Lampenfieber und spontane Vergesslichkeit, sprechen sich gegenseitig Mut zu und feiern zusammen. "Ohne die Gruppe würde ich mich irgendwie verloren fühlen", gesteht Claudia (Hunkirchen-Lamsfuß) von "(N)Immernett". "Von der Stimmung her, von der ganzen Truppe: Das ist super hier", sagt Herbert (Haasbach) vom Eikamper Theaterverein.

 

von KLAUS PEHLE

 

Franzz

März 2006